Innenansichten – Weltbetrachtungen
GEGENSTÄNDLICHE KUNST IN DEUTSCHLAND
Unter diesem Motto geben fünfzig Künstlerinnen und Künstler aus zehn Bundesländern, Vertreter aus drei Generationen, Einblick in ihr Schaffen. Die Berliner Schule der Neuen Prächtigkeit und des Sensualismus ist präsent wie die phantastischen Realisten aus Süddeutschland. Es begegnen sich Werke norddeutscher Pleinairmaler und Leipziger Künstler. Vereint mit Bildbotschaften aus Thüringen und Hessen kündet die Ausstellung von einer pointierten Sicht auf Menschen und Landschaften, in Traumwelten und exotische Ferne.
Unter dem Thema Bildnis und Gleichnis • Vielfalt der Lebenssichten sind Bilder und Plastiken von so unterschiedlichen Künstlernaturen wie Christa Biederbick und Holger Lassen, Erhard Göttlicher und Norbert Wagenbrett, Klaus Fußmann und Michael Engelhardt vereint. Sie suchen nach dem Einmaligen der menschlichen Persönlichkeit und faszinieren mit einem ganzheitlichen Blick auf den Menschen. Von der Vorahnung auf das kommende Leben zu den Stufen wachsender Welterkenntnis bis zum Ideal der Gemeinsamkeit von Mensch und Natur entfaltet sich das Spektrum der künstlerischen Neugier. Aus den expressiv bis fotorealistisch vorgetragenen Lebensliedern reicht der Blick bis zu existenziellen Fragen unserer Tage vom Verhältnis der Generationen zueinander (Christine Reinckens), der Rolle der Frau und der Partnerschaft (Nicola Klemz, Volkmar Kühn), um Sinn und Abschied aus dem Leben selbst zu deuten. Hierfür stehen Künstlerbildnisse von Johannes Grützke, Ursula Mattheuer-Neustädt und Sigurd Kuschnerus. In einer Arbeit von Wieland Förster wird Sandstein zur Metapher des menschlichen Seins.
Die Gestaltungsräume • Stadt – Land – Stillleben vereinen das Fluidum Berlins und Arbeiten zur norddeutschen Landschaft mit Aussagen zur Arbeitswelt und Wertschätzungen der Gegenständlichkeit. Rund um das Brandenburger Tor entdeckten Hans-Joachim Billib und SOOKI ihre Motive von stilllebenhafter Noblesse und zupackendem Großstadtgetriebe, während Christopher Lehmpfuhl und Matthias Koeppel sowie Rita Preuß Bestand und Wandel konstatieren. Peter Berndt führt durch Brandenburger Alleen und Wolfgang Mattheuer auf die Hügel des Vogtlandes, doch die kleine Welt der Gegenständlichkeit blüht in ihrer stofflichen Wertschätzung in Werken von Ralf Scherfose, Wolfgang Harms und Klaus Fußmann. Ein Reigen der Lebensbejahung in der Schönheit der dinglich erlebbaren Welt.
Im Gleichnis die Welt deuten • Archetypen der Moderne wird dem Ausstellungsgast eine Werkauswahl präsentieren, die in großen Bildern aus mythischen und biblischen Anregungen neue Sehweisen auf existenzielle Fragen unserer Zeit bieten. Adelchi-Riccardo Mantovani kehrt männerdominierte Mythen zu Frauenfragen um, Heidrun Hegewald sprengt das Gleichnis von Kain und Abel auf, um Fragen zur Globalisierung zu stellen. Atsuko Kato sieht im Zweigeteilt-und-doch-eins-zu-sein des Ginkgo-Blattes eine Parabel auf das Leben und die Sinnverwandtschaft von Orient und Okzident. Die Heiligen Antonius und Martin stehen sich als Antipoden der Versuchung und der Suche gegenüber (Alexandra Müller-Jontschewa, Wolfgang Dreysse), die Clemens Gröszer in einem Triptychon (Dresdner Altar) zusammenfasst: wie lösen sich persönliche Verstrickungen und die Last der deutschen Geschichte im Leidensweg so auf, dass die menschliche Botschaft der Hoffnung nicht zerstört wird. Gröszers Dreitafelbild der Lebensspanne lösen Willi Sitte, Peter König, Harald Metzkes und Ronald Paris in Bausteine der Lebenserfahrungen auf. Der Besucher wird vom Drama auf dem Berge Golgotha hinabgeführt zur Commedia dell'Arte und wird dabei charmant vom Harlekin begleitet.
Ein Thema bestimmt die Arbeit an Gesellschaft und Geschichte als zu verantwortendes Unterpfand, dem sich jede Generation gleichermaßen stellen muss. Nicht Aufrechnung von Schuld, sondern Lehrstück des Miteinanders bieten Künstler dreier Generationen. Es handelt sich um eine Bildwelt enttäuschter Ideale, zerstörter Hoffnungen und Einzelschicksale, die ihre Deutung erfahren. Für gleiche Zeiterscheinungen finden Sigurd Kuschnerus und der junge Neo Rauch unterschiedliche Metaphern: sowohl der szenische Zerfall der Gesellschaft als auch die gesperrte Kreuzung signalisieren die innenpolitische Krise in unterschiedlichen Systemen. Unter kalter Sonne vollzieht sich für Willi Sitte die Wende (Überwechsler), während Uwe Pfeifer bereits die Verlierer der Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt. Die Spannung von der Rückbesinnung auf Nürnberg und Hiroshima 1945 bis zum Wettlauf um die Reserven der Welt (Michael Waitz) löst sich in Sinnfragen zum 20. Jahrhundert auf. Von neuer Migration (Michael Lassel) bis zum ironischen Polittheater (Winfried Wolk) reicht der Atem der Geschichte, der mit der Morgenröte (Kreuzer Aurora, Manfred Bluth) seinen Anfang nahm.
Durch alle Bilderwelten ist es die Kraft der Humanität, die ein einigendes Band um die Ausstellung schlingt: Sehnsucht nach Vollkommenheit • Das Vergangene und Zukünftige im Phantastischen zu durchmessen, ist eine Kür der bildenden Kunst. Verunsicherung im Alltag, Zweifel an der Sinnhaftigkeit unseres Tuns - phantastische Realisten vermögen den unartikulierten Sehnsüchten eine Bildsprache zu geben. In Traumgärten ernten Wolfgang Harms und Stephan Scherer, exotische Paradiese erschließt Charlotte Herzog von Berg. Es ist das traditionsreiche Trompe l'oiel, die Augentäuschung, die es möglich macht, Schätzen der Weltkultur im kleinen Format einen würdigen Platz zu geben. Es begegnen sich Kontinente auf Frühlingsfahrt (Johann Meier), Geschlechter und Lebensalter im spanischen Stierkampf (Heinz Zander) und im Triumph zieht Hoffnungsglück durch Idealarchitekturen mit archaischem Gespann (Hans-Peter Müller).
Die Ausstellung Innenansichten – Weltbetrachtungen. GEGENSTÄNDLICHE KUNST IN DEUTSCHLAND präsentiert in fünf Themen eine Auswahl von Werken der wiedergefundenen Lebensmitte, öffnet in Bildmetaphern und Allegorien dem Menschen die Größe der Welt in seiner eigenen Umgebung. In der gegenständlichen Kunst ist die Sprachlosigkeit überwunden und das Selbstvertrauen gewachsen, die Zukunft in sozialer Gemeinsamkeit zu meistern.
Innenansichten – Weltbetrachtungen. GEGENSTÄNDLICHE KUNST IN DEUTSCHLAND
Ausstellungszentrum Pyramide Marzahn-Hellersdorf
Riesaer Str. 94, 12627 Berlin
5. April bis 5. Juli 2014, Mo–Sa 10–20 Uhr, Eintritt frei.
Ein gemeinsames Projekt von
Berlin-Brandenburger Bildungswerk e.V. und Ausstellungszentrum Pyramide Marzahn-Hellersdorf,
gefördert aus Mitteln des Bezirkskulturfonds Marzahn-Hellersdorf
Die gemeinsame Ausstellung wird aus Mitteln des Bezirkskulturfonds Berlin Marzahn-Hellersdorf gefördert.
Begrüßung durch Stadträtin Frau Witt | Laudatio des Kurators Dr. Schumacher |
Video von Michael Engelhardt auf YouTube | Dr. Schumacher zur Ausstellung |
Der Flyer war zugleich Wegeleitung in der Ausstellung (0,8 MB) |
Auszug aus dem Katalog (0,3 MB) | Resümee der Ausstellung (12 MB) |